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Aufgrund des Versailler Friedensdiktats waren der deutschen Marine nur 6 völlig veraltete Linienschiffe der Deutschland- und Braunschweig-Klasse belassen worden, deren Ersatz zugestanden wurde, wenn seit ihrem Stapellauf 20 Jahre verstrichen waren. Für Neubauten war eine Deplacementgrenze von 10.000 ts festgelegt worde; hinsichtlich des Kalibers war eine Begrenzung nicht vorgeschrieben, doch unterlag es kaum irgendwelchen Zweifeln, daß die Siegermächte einem höheren Kaliber als 28 cm nicht zu- stimmen würden. Stillschweigend hatte das Reich dabei jedoch von dem mit dem Washington-Abkommen neugeschaffenen Typde- placement insofern Nutzen, als dieses eine etwas günstigere Berechnungsgrundlage abgab und damit etwas mehr Spielraum ermög- lichte. Insgesamt gesehen sollte es diese sehr eng gezogene Verdrängungsgrenze der deutschen Marine unmöglich machen, daraus einen brauchbaren Kampfschifftyp zu entwickeln; die Väter von Versailles zielten darauf ab, die deutsche Marine zu einer reinen Küstenmarine zu degradieren. Schon sehr frühzeitig begann die deutsche Marine, Erwägungen darüber anzustellen, was angesichts dieser Beschränkungen aus dem gegebenen herausgeholt werden könnte. Die ersten Entwürfe gingen auf das Jahr 1920 zurück; an ihnen wurde untersucht, ob es möglich sein würde, die im Kriege bewährten Eigenschaften deutscher Kriegsschiffe auch bei nur 10.000 ts Typdeplacement zu er- reichen. Damals rechnete man vor allem mit der Gegnerschaft Frankreichs, und so wünschte man ein kampfkräftiges, standfestes Schiff, das den Kampf mit Aussicht auf Erfolg mit französischen Schlachtschiffen aufnehmen konnte. Der 1923 abgeschlossene Entwurf II/10 bewies, daß ein Schiff von 10.000 ts theoretisch 4-38 cm Schnellfeuerkanonen tragen konnte, doch seine Stand- festigkeit war gering. Dieser Entwurf wurde in mehrere Varianten durchgearbeitet, wobei schwächere Armierung, stärkerer Panzer, größere Länge und Breite wechselten. Stets beanspruchte jedoch der betonte Faktor soviel von dem Hauptgewicht, daß für die übrigen Faktoren nicht mehr genügend übrig blieb. Als Alternativlösung entstand daher der Entwurf I/10, der ein Schiff mit kreuzer- mäßigen Eigenschaften vorsah. Er wurde jedoch verworfen, weil er als Ersatz für die Linienschiffe den Seestreitkräften nicht die nötige Kampfkraft geben konnte. So schien es 1923 nicht möglich zu sein, die bewährten Eigenschaften der alten deutschen Kriegsschiffe in der wünschenswerten Weise mit einem 10.000 ts-Schiff zu erreichen. Diese Erkenntnis führte zu einer Pause in der Entwurfsarbeit. Erst 1924 lebte die Diskussion wieder auf, als Admiral Zenker die Führung der Marine übernahm. Zunächst wurden aber nur zwei Möglichkeiten durchdacht: Monitor oder Kreuzer. Ersterer bot als flachgehendes küstengebundenes Panzerschiff die Möglichkeit starker Armierung und Panzerung. Ein Kreuzer hingegen bot bei schwächerer Bewaffnung und Panzerung die Mög- lichkeit höherer Geschwindigkeit. Da beide nicht befriedigten, wandte man sich wieder dem Linienschiff zu. Die im Hinblick auf das zugestandene Kaliber bestehende Unsicherheit führte dazu, daß man eine Bewaffnung von 6-30,5 cm-SK in 3 Doppeltürmen als militärische Forderung zugrunde legte. So entstand 1925 der Entwurf II/30, den man erstmals auf Dieselmotoren-Antrieb ab- stimmte. Unbefriedigend bei ihm war die Nebenartillerie. Die Einplanung von 4-15cm SK in Doppellafetten beim Entwurf IV/30- wobei die drei SA-Türme in das Vorschiff verlegt wurden- befriedigte ebenfalls nicht. Weiterhin versuchte man, die MA durch 10,5 cm Geschütze zu ersetzen, aber auch dabei zeigte sich, daß der Seitenpanzer auf 160-180 mm hätte verringert werden müssen. Schließlich entstand in dem Entwurf V/30 ein Schiff von etwa gleichen Abmessungen mit 6-30,5 cm SK in je einem Drillingsturm vorn und achtern, 6-15 cm SK und 3-8,8 Flugabwehrkanonen, wobei ein Seitenpanzer von 180 mm und ein 200 mm dick ge- panzerter Kommandostand möglich gewesen wären. Wegen der unzureichenden Standfestigkeit verfielen jedoch all diese Entwürfe der Ablehnung. Weil man den Entwurf II/30 als den “am wenigsten ungünstigen” ansah, sollte auf seiner Basis ein weiterer Entwurf mit 4-30,5 cm-SK untersucht werden, insbesondere weil es möglich schien, eine Feuergeschwingigkeit von 25 sek. je Rohr zu er- reichen, was den Anforderungen genügte. Da jedoch auch weiterhin offen blieb, ob die Siegermächte nicht auch gegen das 30,5 cm-Kaliber Einspruch erheben würden, ent- stand parallel dazu die Entwurfsreihe I/28 und II/28, unter Zugrundelegung von 28 cm-SK. Mitte 1925 waren die Dinge soweit herangereift, daß eine Entscheidung getroffen werden mußte. Die Diskussion wogte jedoch noch längere Zeit hin und her, ohne daß man sich einig werden konnte, obwohl der Ersatz der alten Linienschiffe durch Neubauten immer dringlicher wurde. Es wurden danach noch 2 weitere Entwürfe durchgerechnet, von denen ersterer (I/35) eine Art Monitor war, letzterer dagegen ein mehr kreuzerartiges Schiff mit schwerer Artillerie. Eine befriedigende Lösung war auch mit diesen Schiffen nicht erreicht worden. Im August 1925 wurde deshalb entschieden, daß die für 1926 vorgesehene Aufnahme des Linienschiff-Neubaues um ein Jahr zu verschieben sei. Einen erheblichen Fortschritt in der Typenfrage brachten die 1926 abgehaltenen Flottenmanöver. Nunmehr wurde ein Entwurf für ein schnelles Linienschiff gefordert, das seiner Charakteristik nach eigentlich ein Kreuzer mit schwerer Bewaffnung sein sollte. So entstanden die Entwürfe I M 26 und II M 26. Beiden lagen nunmehr erstmals klar formulierte und technisch zu verwirklichende militärische Forderungen zu Grunde. Unter dem Eindruck, daß die Aussichten, von Versailles loszukommen und in das Abkommen von Washington einbezogen zu werden, auch weiterhin gering blieben, schien die vorteilhafteste Lösung darin zu bestehen, ein Schiff zu bauen, das den Washingtoner Typen stets in einer Richtung überlegen war, nämlich den Schlachtschiffen an Geschwindigkeit, den Kreuzern an Schwerer Artillerie. Damit wären eigentlich die DInge soweit ausgereift gewesen; der unerwartete Konzeptionswechsel von Admiral Zenker, der noch 1925 stärkerer Offensivkraft den Vorzug vor dickerem Panzer gegeben hatte und sich angesichts der letzten Entwürfe dazu entschied, doch wieder der Standfestigkeit den Vorzug zu geben, bewirkte eine große Verzögerung. Obwohl Admiral Zenker auch 1927 noch den Linienschiff.Kreuzer ablehnte und noch ein Entwurf eines 18 kn schnellen, schwer gepanzertem und stark bewaffneten Schiffes durchgerechnet wurde, trieben die Dinge jedoch weiterhin auf das schnelle Schiff hin. Bei einem weiteren Entwurf vom März 1927 sah man jetzt ein Schiff von etwa 24 kn vor, aber nunmehr hielt man auch diese relativ große Geschwindigkeit nicht mehr für ausreichend und forderte statt dessen mindestens 26 kn, um sich gegnerischen Schlachtschiffen schnell entziehen und schnellen Kreuzern möglichst lange aufbleiben zu können. Von diesem Zeitpunkt ab strebte die Entwicklung konsequent auf den Linienschiff- Kreuzer zu, auf das Panzerschiff, zumal aus waffentechnischen Gründen im gleichen Jahr die Hauptbewaffnung der künftig zu bauenden Ersatzschiffe auf 6-28 cm-SK ´festgelegt wurde. Mitte Juni 1927 entschied sich Admiral Zenker endgültig, nachdem sich aus den Vorentwürfen 4 technisch realisierbare Typen herauskristallisiert hatten:
Typ A: SA 4-38 cm-SK, Panzerung: 250 mm, Geschwindigkeit: 18 kn
Typ B: SA 6-30,5 cm-SK, Panzerung: 250 mm. Geschwindigkeit: 18 kn
Typ C: SA 6-30,5 cm-SK, Panzerung: 200 mm, Geschwindigkeit: 21 kn
Typ D: SA 6-28 cm-SK, Panzerung: 100 mm, Geschwindigkeit: 26-27 kn
Nunmehr sah Admiral Zenker in der Lösung C den einzigen derzeit realisierbaren Weg und empfahl, zunächst zwei Schiffe zu bauen und erst danach wieder in die Beratungen über den Bau kampfkräftigerer und standfesterer Schiffe einzutreten. Von hier ab führte der Weg zu den Panzerschiffen der Deutschland-Klasse.
Der Typ C von den Entwürfen der 20er Jahre, für den sich Adm. Zenker Mitte 1927 entschieden hatte, kam der endgültigen Aus- führung schon recht nahe. Die dabei auftauchenden überaus schwierigen Probleme konnten durch eine Reihe bedeutender technischer Verbesserungen gelöst werden. Das zentrale Problem war dabei die Einsparung von Gewichten. Hier kam vor allem der in den Nachkriegsjahren erzielte große Fortschritt der elektrischen Schweißung sehr gelegen. Dadurch konnten, verglichen mit der sonst üblichen Nietung, Einsparungen von etwa 15 % allein am Schiffskörper erreicht werden. Im Ausland wurde dieser Schiffstyp zuerst nicht ernst genommen und spottweise sprach man von pocket-battleships = Westentaschen-Schlachtschiffen. Sehr bald schlug dieses Urteil in Anerkennung um, denn durch die Verwirklichung des dieselmotorischen Antriebs konnte eine bedeutende Vergrößerung der Fahrstrecke erreicht werden; zudem konnte auch eine im Verhältnis zur Schiffsgröße unerwartet starke Be- waffnung eingebaut und die Geschwindigkeit so weit gesteigert werden, daß diese Schiffe schneller als alle in dieser Zeit vorhandenen Schlachtschiffe (wenn man von den 3 Schlachtkreuzern der britischen Marine absieht) waren. Die 3-4 Schlachtkreuzer der jap. Marine blieben außer Betracht, da mit einer Gegnerschaft Japans nicht mehr gerechnet werden mußte. Tatsächlich waren diese deutschen Panzerschiffe damit in ihrer Zeit schneller als jedes Schlachtschiff und stärker als jeder Kreuzer.
Auszug aus dem Buch “Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905-1970” von Siegfried Breyer
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